2015/12

Eva Ritter | ZanRé | Isabelle Gabrijel

5. bis 24. Dezember 2015

EVA RITTER

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Aller Anfang der Kreationen von Eva Ritter ist immer die Faszination für ein Material, für Textur, Struktur und Musterung, die dann Anwendung in der Entwicklung eines neuen Objekts finden. Im Fall der aktuellen Serie ist das der federleichte Schaumstoff EVA (Ethylenvinylacetat).

Schon ihre Abschlussarbeit an der Parsons School of Design in New York hatte einen Schuh aus einem Guss beinhaltet, mit dessen Oberflächenstruktur sie experimentierte. Dieses Objekt hat als Prototyp einen besonderen Stellenwert in ihrer Arbeit. Ein Aufenthalt in Brasilien und Besuche von EVA-Produzenten weltweit führten sie 2005 zu einem italienischen Hersteller von Spritzgussformen, der die benötigte Dreidimensionalität exakt entwickeln konnte.

Die Faszination für EVA hat der Künstlerin, die zudem studierte Wirtschaftspsychologin ist, auch in ihrem Parallelleben in der Wirtschaft im Bereich der Human Resources keine Ruhe gelassen. Heute gibt es einen zweiten Prototypen, den RITTERstiefel oder englisch RITTER Boot, einen Regen- und Winterstiefel. Das Logo, ihr stilisiertes Familienwappen, findet sich auf der Sohle.

ZANRÉ

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Der Migrossack – in der Schweiz ist diese Papiereinkaufstüte des größten Lebensmittelhändlers des Landes das Synonym für alle Einkaufstüten. Der Künstler ZanRé hat sich in seiner Arbeit der Macht, die das konstatiert, und der Symbolik des Konsums, die die aufgedruckte Werbung kommuniziert, kritisch angenommen.

Seit der Jahrtausendwende arbeitet ZanRé mit Migrossäcken, deren reißerische Typografien er künstlerisch auslotet. Er arbeitet nur mit gebrauchten Tüten, um den Gedanken zu vermitteln, dass damit Nahrung „erbeutet“ und in den sicheren Hort des Zuhauses getragen wurde. In der Hinsicht unterscheidet sich das heutige zivilisierte Einkaufen kaum von der urmenschlichen Nahrungssuche über die Jagd.

Im Lauf der Zeit begann ZanRé dann, collagierte Migrossäcke zu bemalen und mit Heroen unserer Zeit und Konsumgesellschaft zu ergänzen. Superhelden oder Pin-ups lösen Fragen nach außergewöhnlicher Macht und ferngesteuerten Trieben aus. Auch religiöse Bildspache findet ironisierende Anwendung, so zum Beispiel in mittelalterlichen Altartafeln, über und über mit Symbolen des zeitgenössischen Konsums besät – Heiligenbilder der Neuzeit.

Mit der neuesten Serie Kleinvieh macht auch Mist!, auf Migrossäcken collagierte Kleinformate, erarbeitet ZanRé umdeutende, pointierte Gegenentwürfe zu den massenhaft verbreiteten Werbebotschaften der Supermärkte.

ISABELLE GABRIJEL

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Fragen nach Zeit und Kontext leuchten weithin über dem Werk von Isabelle Gabrijel. In ihren großformatigen analogen Fotografien zeigt sie in die Jahre gekommene, skurril-schranzige Spielzeugfiguren in unerwarteten Konstellationen und Bühnenbildern inszeniert. Sie schöpft aus einem enorm vielfältigen Fundus von weit über 10.000 Figuren, die sie seit Jahren auf Flohmärkten und auf Reisen sammelt. Funktional und emotional längst abgehakt und der Vergangenheit überantwortet, kommen die Kindheitsbegleiter anonymer Vorbesitzer bei Isabelle Gabrijel zu einem neuen Auftritt.

Die “Erfahrungen”, die die Figuren gemacht haben, bilden ihre ganz eigenen Biografien, über die sie nicht selbst sprechen können und die wir nie erfahren werden. Isabelle Gabrijels Inszenierungen würdigen diese Erfahrungen dennoch, trotz ihres Nichtbekanntseins. Ähnlich einem biografischen Dramatiker oder Drehbuchautor schreibt die Künstlerin die Geschichten vergangener Persönlichkeiten für ein zeitgenössisches Publikum, reichert aber fade oder fehlende Fakten, ganz im Sinn der Storyline, mit freier Fiktion an. Wie die Geschichten ausgehen, bleibt jedoch schlußendlich der Fantasie des Betrachters überlassen.

Durch die Neuschreibung dieser Biografien mißt Isabelle Gabrijel den Figuren einen Wert zu, den sie in anderer Form verloren hatten. Der emotionale Wert, der für ein Kind an sein Spielzeug gekoppelt ist, wird hier durch einen philosophischen Wert ersetzt, der unsere Vorstellungen der Zeit hinterfragt. Das Ende ist nie einfach nur ein Ende, sondern gleichzeitig auch ein Anfang – es kommt immer etwas Neues, oft Unerwartetes. Wandel findet ununterbrochen statt. Die Rekontextualisierung der Figuren in neuen Konstellationen und Umfeldern erinnert auch daran, daß gerade die kleinen Dinge im Leben manchmal viel Bedeutung haben können. Es ist, wie so oft, eine Frage der Perspektive und des Kontextes, diese zu sehen.